Drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer könnten die Wählerinnen und Wähler im Osten für eine große politische Zäsur sorgen. Die AfD hat Chancen, in Sachsen, Brandenburg und Thüringen zur stärksten Kraft zu werden. Schon nach den Europawahlen im Mai zeigten sich in den vielen blauen Wahlergebnissen Umrisse der alten DDR.

Aber warum ist das so? Die zwei bedeutendsten Erklärungsansätze lauten kurz gesagt: Es war die Zeit vor 1990. Oder: Es war die Nachwendezeit.

Die DDR-Vergangenheit, argumentiert die eine Seite, wirkt noch immer nach. Sie prägt das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat. Eine unterdrückte Debattenkultur, autoritäre Staatsstrukturen, eine ethnisch relativ homogene Gesellschaft – das sind demnach entscheidende Faktoren für ein Misstrauen gegenüber der pluralistischen Gesellschaft der Bundesrepublik. Zudem seien in der DDR die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht aufgearbeitet und rechtsradikale Tendenzen geleugnet worden. Auch deswegen fehle unter manchen Ostdeutschen die Sensibilität für die Abgründe des Rechtsextremismus.

Andere halten dagegen, es sei vor allem die Zeit nach der Wiedervereinigung gewesen, die manche Ostdeutsche skeptisch bis feindselig gegenüber der Bundesrepublik gemacht habe. Die Zeit, als die Euphorie der Enttäuschung wich, Millionen ihren Job verloren und die Jungen, die Gutausgebildeten das Land Richtung Westen verließen und Leere hinterließen. Der Westen bekam von diesen Umbrüchen kaum etwas mit. "Raider hieß dann Twix, sonst änderte sich nichts", formuliert es der Journalist Jens Bisky zugespitzt für das westdeutsche Selbstverständnis. Mehr noch: Auf die neuen Bürgerinnen und Bürger wurde mitunter mit einer Mischung aus Mitleid, Strenge und Spott hinuntergeschaut, ein Blick, der bis heute nicht ganz aus dem deutsch-deutschen Verhältnis gewichen ist. Wenig geändert hat sich auch an den Vermögensverhältnissen. Sie sind bis heute nicht dieselben: Im Osten sind die Renten niedriger, geerbt wird auch kaum. Das alles habe zu einer tiefen Entfremdung mancher Ostdeutscher geführt, die sich auch in einer fehlenden Bereitschaft zeige, die bundesrepublikanische Demokratie zu verteidigen.

Und natürlich gibt es viele Stimmen, die diese Argumente zwar anerkennen, sie aber ganz anders gewichten.

Was denken Sie?

Wir wenden uns anlässlich der ostdeutschen Landtagswahlen an Sie, liebe Leserinnen und Leser. Wir wollen von Ihnen, von Ost- und Westdeutschen und von Menschen, die sich diesen Kategorien gar nicht zugehörig fühlen, wissen: Warum ist die AfD im Osten so erfolgreich? Können Sie den oben skizzierten Argumenten etwas abgewinnen? Oder haben Sie andere Sichtweisen und Erfahrungen, mit denen sie die aktuelle Situation deuten? Mit ähnlichen Fragestellungen zu Ost- und Westdeutschland wird sich auch das neue Ressort STREIT beschäftigen, das am 5. September erstmals in der ZEIT erscheinen wird.

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