Der Rassismus ist messbar – Seite 1

Die Staatsmacht ist weiß, die Bevölkerung schwarz: In Ferguson, wo vor zwei Wochen der 18-jährige Afroamerikaner Michael Brown von einem Polizisten erschossen wurde, ist die längst überwunden geglaubte Rassentrennung der USA noch spürbar. Aber die Apartheid herrscht nicht nur dort. 

Statistiken aus den USA zeigen, wie stark Schwarze benachteiligt werden. Zum Beispiel tragen schwarze Männer ein deutlich höheres Risiko, verhaftet zu werden, als Weiße – der Unterschied zwischen beiden Bevölkerungsgruppen ist in den vergangenen Jahrzehnten sogar noch gewachsen. Ein Grund dafür ist offenbar, dass die Polizei Schwarze viel häufiger und strenger kontrolliert ("stop-and-frisk").

Möglicherweise glauben die Polizisten sogar, dafür einen realen Grund zu haben – zumindest, wenn sie der Ansicht sind, dass Arme und Benachteiligte häufiger kriminell werden als andere. Denn auch das zeigen die nationalen US-Statistiken: Genau 50 Jahre nachdem der Kongress unter Präsident Lyndon B. Jonson den Civil Rights Act beschloss und so die Diskriminierung der Schwarzen zumindest auf dem Papier beendete, geht es den Afroamerikanern wirtschaftlich und sozial im Großen und Ganzen immer noch deutlich schlechter als den Weißen.  

Das fängt bereits bei der Bildung an. Im Vergleich zu den Weißen schaffen Schwarze besonders häufig keinen Schulabschluss. Und selbst die, die einen Abschluss erreichen, verlassen das Bildungssystem eher nach der High-School oder dem College. Einen Bachelor- oder höheren akademischen Abschluss erhalten Schwarze deutlich seltener als Weiße oder als der Durchschnitt der US-Bevölkerung. Allerdings, so berichtet das Pew Research Center, ist der Unterschied in der Schulabbrecherquote zwischen Schwarzen und Weißen seit den 1960er-Jahren gesunken.

Den Grafiken liegen Daten des Zensusbüros der USA zugrunde. In ihnen werden der Übersichtlichkeit halber nur die Werte für Schwarze und Weiße verglichen. Die amerikanischen Statistiker erfassten außerdem Latinos und andere Bevölkerungsgruppen, doch ihre Kategorien sind nicht ganz trennscharf. Weiße mit lateinamerikanischen Wurzeln werden von unseren Grafiken deshalb beispielsweise nicht abgebildet. Entscheidend für die Zuordnung ist üblicherweise, wie die im Zensus Befragten sich selbst definieren: als schwarz oder weiß? 

Schwarze verdienen deutlich weniger

Gut zu wissen ist außerdem: Die amtlichen Daten berücksichtigen weder Militärangehörige, die getrennt von ihren Familien leben, noch Strafgefangene oder Bewohner von Altenheimen, sondern zeigen nur die Lebensumstände der sogenannten nicht-institutionellen Zivilbevölkerung der USA. Kämen auch die Gefängnisinsassen oder Soldaten in der Statistik vor, wären die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß möglicherweise noch größer.

Selbst wenn Schwarze einen guten Abschluss schaffen, sind sie häufiger arbeitslos als Weiße. Unter den schwarzen Universitätsabsolventen, die mindestens einen Bachelor-Titel tragen, haben 7,9 Prozent keinen Job. Unter den Weißen sind es nur 4,3 Prozent. Und je schlechter die Ausbildung, desto gravierender wird der Unterschied. Auch über alle Bildungsklassen hinweg ist die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen deutlich höher.

So ist es kein Wunder, dass Schwarze ein viel geringeres Einkommen erzielen als Weiße. Mehr als die Hälfte aller schwarzen Haushalte haben pro Jahr weniger als 35.000 Dollar zur Verfügung, bei nur etwa einem Zehntel sind es 100.000 Dollar oder mehr. Für die Grafik wurden Löhne und Gehälter sowie die Netto-Erträge aus Selbständigkeit zusammengezählt. Unternehmensgewinne gingen nicht in die Rechnung mit ein. Zum Vergleich: Unter den weißen Haushalten müssen nur knapp ein Drittel mit weniger als 35.000 Dollar jährlich zurecht kommen, aber fast ein Viertel verfügt über 100.000 Dollar und mehr. 

Da scheint es nur logisch, dass Schwarze auch häufiger arm sind als Weiße. Das US-Statistikbüro berechnet seine Armutsgrenze abhängig vom gesamten Einkommen eines Haushalts und der Anzahl seiner Mitglieder. Auch das Alter der Familienangehörigen spielt eine Rolle, und die jährliche Inflation. 

Das Ergebnis: Mehr als ein Viertel der Schwarzen in den USA leben in Armut. Unter den Weißen beträgt die Rate nicht einmal ein Zehntel, und im Durchschnitt der Bevölkerung sind es 15 Prozent. Der Unterschied ist über alle Altersklassen hinweg sehr groß, am größten ist er jedoch unter Kindern und Jugendlichen.

Der vielleicht deutlichste Indikator für die Benachteiligung der Schwarzen ist aber ihre geringere Lebenserwartung. Ein neugeborenes schwarzes Baby hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 75  Jahren, die Lebenserwartung eines weißen Babys ist etwa vier Jahre höher. In den 1960er-Jahren sei der Unterschied allerdings noch größer gewesen, schreibt das Pew Center. Damals betrug er sieben Jahre.