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Panorama Corona-Maßnahmen

Kekulé rügt Lockerungen als „brandgefährlich“

Der Bund überlässt den Ländern die Verantwortung

Der Bund will den Ländern freie Hand für die Corona-Maßnahmen geben, solange eine Obergrenze von Neuinfektionen nicht überschritten wird. Zudem gibt es endlich eine Ansage für die Bundesliga.

Quelle: WELT / Lena Mosel

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Die regional unterschiedlichen Lockerungen führen nach Ansicht von Alexander Kekulé zu einem Anstieg der Corona-Infizierten und einem „viralen Orkan im Herbst“. Er warnt unter anderem vor der Öffnung der Schulen – und kritisiert das RKI.

Die Bundesregierung will den Ländern bei den heutigen Spitzenberatungen erhebliche Lockerungen der Corona-Auflagen vorschlagen. In einem „zweiten großen Öffnungsschritt“ sollen alle Schulen bis zu den Sommerferien den Unterrichtsbetrieb wieder aufnehmen, heißt es in einer Beschlussvorlage des Bundes, der WELT vorliegt.

Die Auflagen sollen zudem regionalisiert werden: Lockerungen sollen dann zurückgenommen werden, wenn die Zahl der Neuinfektionen in einem Landkreis binnen sieben Tagen die Zahl von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner übersteigt.

Alexander Kekulé, Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, findet das Konzept der Eingriffe in Intervallen „brandgefährlich“. In einem Gastbeitrag für „Die Zeit“ schreibt er: „Der Lockdown ist im Begriff, unser wirtschaftliches, soziales und politisches Leben zu zerstören. Auch die gesundheitlichen Kollateralschäden könnten bald die unmittelbaren Todesopfer der Pandemie übersteigen.“ Trotzdem dürfe die Politik die Kontaktbeschränkungen erst lockern, wenn sie alternative Schutzmaßnahmen installiert hätten.

„Unser gefährlichster Gegner in der Pandemiebekämpfung ist nicht das Virus, sondern die Zeit.“ Eine Pandemie sei keine Katastrophe in Zeitlupe, sondern hat die Dynamik einer Explosion. Kekulé mahnt: „Die Politik ist im Begriff, den Wettlauf mit der Zeit noch einmal zu verlieren.“

Er geht davon aus, dass die Fallzahlen für Covid-19 im Herbst deutlich ansteigen werden. Er bezweifelt jedoch, dass es bis dahin eine Herdenimmunität, einen Impfstoff oder eine lebensrettende Therapie geben wird. „Aus fehlender Immunität, vernachlässigtem Social Distancing und unzureichendem Schutz der Risikogruppen könnte dann im Herbst ein viraler Orkan entstehen.“

Lesen Sie hier im Liveticker aktuellen Entwicklungen.

Kekulés Punkte im Überblick

1. Er teilt nicht die Hoffnung, dass der Wirkstoff Remdesivir Schwerstkranken helfen kann. Das Mittel zeige „bis jetzt nur eine Verkürzung der Krankheitsdauer und dies auch nur, wenn die Therapie frühzeitig begonnen wird“.

2. Um Covid-19 in Europa einzudämmen, geht er von einer 1 1/2-jährigen Impfkampagne aus. Fügt jedoch an, dass es auch „wesentlich länger“ dauern könne.

3. Kekulé kritisiert, dass Kontaktbeschränkungen gelockert werden, ohne ein anderes Schutzkonzept einzuführen. Besonders durch die Öffnung der Kindertagesstätten und Grundschulen würde es zu einem Anstieg der Neuinfektionen und Todesfälle kommen. „Die Erkenntnisse hierüber gehen auf die Spanische Grippe von 1918 zurück und wurden durch chinesische Untersuchungen für Covid-19 bestätigt“, schreibt Kekulé. Kinder in diesem Alter durch Mundschutz und Hygieneerziehung vor Infektionen zu schützen sei illusorisch und hätte das Potenzial, eine ganze Generation psychisch zu traumatisieren.

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4. Als ein zusätzliches Wagnis bezeichnet er die mehr oder weniger gleichzeitige Lockerung in vielen Bereichen in allen Bundesländern.

5. An das Robert-Koch-Institut gerichtet kritisiert er die Datenerfassung. Es werde nicht erfasst, welcher Berufsgruppe die gemeldeten Covid-19-Fälle angehören oder ob Hinweise auf den Infektionsweg bestehen würden. „Unbekannt ist auch, ob aus einer Region gemeldete Fälle zu einem gemeinsamen Ausbruch (etwa in einem Heim) gehörten, einzeln aufgetreten sind oder ob die positiven Befunde zufällig erhoben wurden.“ Deshalb sei nicht bekannt, warum trotz des Lockdowns täglich noch rund 700 Neuinfektionen gemeldet werden.

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6. Kekulé zweifelt an der baldigen Einsatzfähigkeit einer Tracing-App. „Schneller dürften die angekündigten rund 500 Containment-Scouts sein, von denen jedoch bis Ende April erst die Hälfte eingestellt wurde“, fügt er an. Statt auf die Tracing-App zu hoffen, sollte der konventionellen Nachverfolgung höchste Priorität eingeräumt werden.

7. Für „dringend notwendig“ hält Kekulé die Untersuchung asymptomatischer Personen. Gesundheitsämter würden davon abraten, da negativ Getestete sich in falscher Sicherheit wiegen könnten. Kekulé argumentiert hingegen, dass solche Schutzmaßnahmen an konkrete Risikosituationen angepasst werden könnten. Beim Krankenhauspersonal oder in der Bundesliga sei das Testen schon üblich. „Warum dies nicht auch zum Schutz von Arztpraxen, Bewohnern von Altersheimen und anderen Risikopersonen oder zur Vermeidung aus dem Ausland eingeschleppter Infektionen möglich sein soll, ist nicht nachvollziehbar“, schreibt Kekulé.

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8. Durch speziell zugeschnittene Hygienekonzepte solle die Risikogruppen der über 70-Jährigen geschützt werden. Im ersten Schritt müssten die Altenheime gegen Covid-19-Ausbrüche gesichert werden. „Dies beinhaltet auch den Schutz des Pflegepersonals und seiner Familien, etwa durch das Angebot regelmäßiger Testungen im privaten Bereich.“ Mit professionellen Infektionsschutzmasken (FFP2-Masken) ausgestattet, könnten ältere Menschen das Haus verlassen und unter Leute gehen, ohne ihr Leben durch Covid-19 zu riskieren, schlägt Kekulé vor. „Risikoangepasste, flexible Schutzkonzepte bedeuten nicht weniger, sondern mehr Freiheiten für die Betroffenen.“ Jüngere Menschen mit bestimmten, chronischen Erkrankungen müssten mit ihrem Arzt individuell entscheiden, ob das Tragen von FFP2-Masken und andere besondere Schutzmaßnahmen sinnvoll sei.

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jm mit Reuters

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