Bei der Demo der "Querdenker"-Bewegung in Berlin am 1. August trugen viele Teilnehmerinnen keine Masken.
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Bei der Demo der "Querdenker"-Bewegung in Berlin am 1. August trugen viele Teilnehmerinnen keinen Mund-Nasen-Schutz.

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#Faktenfuchs: Lassen Demos die Corona-Infektionszahlen steigen?

Auf Protestveranstaltungen kommen viele Menschen zusammen, trotz Corona. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Infektionen dadurch zunehmen. Das könnte auch daran liegen, dass Behörden diese schwer mit Demos in Verbindung bringen können.

Seit Monaten demonstrieren immer wieder Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen. Auch andere Gruppen versammeln sich in Bayern und anderswo zu Protesten, wie etwa zu Black-Lives-Matter-Demonstrationen. Angesichts der Kontaktbeschränkungen und der Virus-Pandemie stellt sich aber die Frage, ob solche Ansammlungen von Menschen dazu führen, dass die Infektionszahlen steigen.

  • Dieser #Faktenfuchs gibt den Wissensstand vom 6. August 2020 wieder. Aktuelle Erkenntnisse (Stand 11. Februar 2021) finden Sie in diesem BR24-Artikel.

Auch LeserInnen von BR24 stellten uns diese Frage. Der #Faktenfuchs hat bei den Behörden deshalb nachgefragt, ob es Hinweise gibt, dass durch Demos die Fallzahl von Sars-CoV-2-Infizierten wächst. Die Antwort ist: Nein. Allerdings lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Demos und Infektionszahl kaum herstellen - auch weil die Meldesoftware dafür keine Angaben vorsieht.

München: keine Auffälligkeiten nach größeren Demos

In München etwa, wo am 9. Mai rund 3.000 Menschen auf dem Marienplatz gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten und am 11. Juli mehr als 1.000 TeilnehmerInnen für die Black-Lives-Matter-Demo zusammenkamen, registrierte das städtische Referat für Gesundheit und Umwelt keinen Anstieg der Infektionszahl.

Die Meldezahlen zeigten insoweit keine Besonderheiten, teilte ein Sprecher der Behörde BR24 auf Nachfrage mit. Die täglich veröffentlichten Zahlen für die Stadt München zeigen keine Auffälligkeiten in der Zeit bis zu zwei Wochen nach den Demo-Terminen.

Bayernweit lässt sich anhand der Zahlen vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ebenfalls bislang "ohne weiteres kein signifikanter Anstieg der Fallzahlen in der Folge eines Events beobachten", schrieb ein LGL-Sprecher.

Zusammenhang zwischen Demos und Infektionen schwer zu ermitteln

Ohnehin ist es problematisch, allein auf diesem Weg einen kausalen Zusammenhang zwischen Versammlungen und Infektionen herzustellen. Denn inwieweit Demonstrationen zur Verbreitung des Virus beitragen, ist schwer zu bewerten, wie eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts in einer Mail-Antwort an BR24 schreibt. Dem RKI werden die wahrscheinlichen Infektionsorte nur auf Landkreisebene übermittelt, teilweise auch nicht immer vollständig. Und: "Der Demobesuch als Infektionsrisiko wird derzeit nicht in der Software erfasst." Somit wird dieser Faktor nicht systematisch abgefragt oder weitervermittelt.

Dem RKI sind auch keine Einzelfälle bekannt, in denen Infektionsherde von Demos ausgegangen wären. "Anekdotisch wurden dem RKI bisher noch keine Übertragungen auf Demonstrationen berichtet", schrieb die Sprecherin.

DemonstrantInnen kehren in verschiedene Heimatorte zurück

Zudem weist die RKI-Sprecherin darauf hin, dass eine Zuordnung der Fälle zur Demonstration schwierig ist, weil die Besucher einer Demo nicht zwingend aus dem gleichen Ort kommen, so dass sich etwaige Infektionen auf mehrere Land- oder Stadtkreise verteilen könnten.

Dasselbe Problem sieht auch die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, nämlich im neuesten Fall der Demonstration von Corona-Leugnern und Gegnern der Maßnahmen - unter ihnen Impfgegner, Reichsbürger, Verschwörungsideologen - am 1. August in Berlin. Da die TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet kamen, ließe sich ein mögliches Infektionsgeschehen nicht auf Berlin eingrenzen, schrieb ein Sprecher BR24. Auf die Frage, ob nach dieser Demo die Ausbreitung möglicher Infektionen besonders beobachtet werde, gab er keine konkrete Antwort. “Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung veröffentlicht seit Beginn der Pandemie die Infektionszahlen für das Land Berlin und hat deshalb einen guten Überblick über die gesamte Infektionssituation”, schrieb er lediglich.

Jede größere Ansammlung birgt Ansteckungsrisiko

Dabei ist grundsätzlich immer erst einmal unklar, wie hoch der Anteil infektiöser Personen unter den TeilnehmerInnen einer Kundgebung ist. Draußen ist das Infektionsrisiko zwar auch laut RKI deutlich geringer als in geschlossenen, schlecht gelüfteten Räumen. Aber jede größere Ansammlung von Menschen bringt eine Ansteckungsgefahr mit sich, gerade wenn Abstand, Hygiene und das Tragen von Alltagsmasken missachtet werden.

Fazit

Prinzipiell birgt jede größere Ansammlung von Menschen das Risiko, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken, vor allem, wenn die Hygieneregeln nicht eingehalten werden. Das gilt auch für draußen - auch wenn die Gefahr hier geringer ist als in geschlossenen, schlecht gelüfteten Räumen.

Bisher haben das RKI und die Gesundheitsbehörden von München und Berlin aber keine konkreten Hinweise darauf, dass es einen Anstieg von Corona-Fällen nach größeren Demos gab. Infektionen auf Demonstrationen zurückzuführen ist für die Behörden jedoch schwierig, da erstens unklar ist, wie viele Infizierte sich auf einer Veranstaltung befinden, zweitens der Besuch einer Demo nicht beim Meldeverfahren abgefragt wird und drittens die Teilnehmerinnen meist aus verschiedenen Orten an- und dorthin wieder zurückreisen - weshalb sich das mögliche Infektionsgeschehen nicht eingrenzen lässt.

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