Sollte die Schule eine Stunde später beginnen, am besten erst um neun? Und die Arbeitswelt genauso? Mit jeder Umstellung auf Sommer- oder Winterzeit kommt diese Diskussion wieder auf. Ein häufig zuletzt auch in der ZEIT wieder zitiertes Argument: "70 bis 80 Prozent" der Jugendlichen seien eben "Eulen": abends lange wach, aber Morgenmuffel. Anders als die "Lerchen", die gut aus den Federn kommen und morgens besonders leistungsfähig sind. Mehr noch: Welcher Typ man sei, das sei "angeboren und kaum zu ändern". Aber stimmt das wirklich? Schlafforscherin Barbara Knab hat für uns Studien zur Erforschung der Chronotypen gewälzt – mit überraschendem Ergebnis.

Abend- und Morgentypen

"Morgenstund' hat Gold im Mund" – auf dieses alte Sprichwort reagiert mancher gereizt. Erwachsene fühlen sich verhöhnt, Schülerinnen und Schüler der Oberstufe erst recht. Zwar könnten viele von ihnen besser ausgeschlafen sein, wenn sie zeitiger ins Bett gingen, statt Coolness durch langes Wachbleiben zu demonstrieren. Tatsächlich kann es auch eine Frage der Veranlagung sein, ob jemand eher ein Morgen- oder ein Abendtyp ist, wie die Schlafforschung schon lange weiß (International Journal of Chronobiology: Horne/Östberg, 1976). Nur, sind wir wirklich alle eins von beidem? Und Normalschläfer – gibt es die überhaupt?

Echte Eulen, das sind Menschen, die abends sehr spät müde werden. Selbst wenn sie ausgeschlafen sind, brauchen sie am Morgen lange, bis sie richtig fit und konzentriert sind. Dass Eulen – jedenfalls außerhalb der Schule – heutzutage mehr Toleranz entgegenschlägt als noch in den 1970ern, dürfte auch dem Verein für Zweitnormalität Delta-T zu verdanken sein, der sich seit 1993 für "Spätmenschen und Langschläfer" einsetzt. Ihnen gegenüber stehen die gesellschaftlich besser angepassten Morgentypen oder Lerchen. Sie werden abends früh müde, wachen aber meist problemlos ohne Wecker auf. Kaum schlagen sie die Augen auf, sind sie hellwach.

Die meisten Erwachsenen haben eine gewisse Neigung zu einem dieser beiden Typen. Doch was dabei wirklich bemerkenswert ist: Nur 40 Prozent aller Menschen sind entweder echte Lerchen oder Eulen, wie neuere Studien gezeigt haben (Chronobiology International: Adan et al., 2012). Von den Morgen- und Abendtypen gibt es jeweils etwa gleich viele. Das heißt aber auch: 60 Prozent sind in Wahrheit keines von beidem. Wenn diese Menschen also morgens ständig müde sind oder abends nicht einschlafen können, dann liegt es nicht am natürlichen Chronotyp. Sie leiden womöglich unter chronischem Schlafmangel oder haben echte Schlafstörungen.

Jugendliche neigen zum Eulentum

Die Genetik verursacht mit, welchem Chronotyp Erwachsene eher angehören. Doch unveränderbar angeboren wie die Augenfarbe ist er nicht. Das zeigt sich schon daran, dass Menschen, die auf dem Land im Freien arbeiten, erheblich häufiger Morgentypen sind als Stadtmenschen. Offenbar passt der Mensch seine Schlafgewohnheiten also durchaus den Umständen an.

Vor allem aber ändert sich die Sache mit dem Lebensalter (Sleep Medicine Reviews: Rönneberg et al., 2007; Journal of Genetic Psychology: Randler, 2011): Kinder sind erheblich häufiger Lerchen als Erwachsene, sie stehen mit Vergnügen sehr früh auf. Vorausgesetzt, sie sind am Abend rechtzeitig ins Bett gekommen. Mit der Pubertät schlägt das tendenziell um: Jugendliche sind im Durchschnitt häufiger Eulen als Erwachsene. Die häufig genannten 70 bis 80 Prozent, zu denen Teenager Nachtmenschen seien, konnten repräsentative Stichproben aber nicht bestätigen. Christian Vollmer, Schlafforscher von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, kam in seiner Dissertation im Jahr 2012 bei der Untersuchung von gut 3.500 15-jährigen Jungen und Mädchen nur auf knapp 35 Prozent, die als echte Eulen gelten konnten.

Kurz nach dem Ende der Pubertät kehrt sich dieser Trend zum Abendtypen außerdem wieder um. Die Münchner Forschergruppe um Till Rönneberg plädiert sogar dafür, die Umschlagzeit als "Ende der Adoleszenz" zu betrachten (Current Biology: Rönneberg et al., 2004).

Nicht nur die Schlafenszeit unterscheidet Eulen und Lerchen

Eulen bevorzugen den Abend, Lerchen den Morgen – doch das ist nicht alles. Jugendliche Abendtypen sind tendenziell schlechter in der Schule (Learning and Individual Differences: Rahafar et al., 2017), auch dann, wenn die Prüfungen nachmittags stattfinden (Chronobiology International: Enright/Refinetti, 2017). Was sicher mitspielt: Abendtypen schlafen ganz allgemein schlechter und kürzer als andere (Sleep Medicine: Vollmer et al., 2017). Allein das beeinträchtigt die geistige Leistung grundsätzlich.