Forschung am Lehrstuhl für Verhaltensmedizin und humanbiologische Grundlagen für die Gesundheitswissenschaften

Ein Hauptziel unserer Forschung ist, die evidenzbasierte Behandlung psychischer Belastungen und Störungen bei Patient*innen mit somatischen Erkrankungen zu verbessern. Ein oft vernachlässigter Aspekt ist, dass die Belastung von Ärzteschaft, Pflege und Angehörigen, welche diese Patient*innen betreuen dabei einen wichtigen Begleitfaktor darstellen. So ist nicht jede Art von sozialer Unterstützung hilfreich und nur wer selbst – auch langfristig – gut mit Belastungen umgehen kann, bleibt leistungsfähig und kann mit vollem Einsatz „für andere da sein“.

In diesem Bereich kann Forschung helfen, die (Früh-)Erkennung von Belastungen zu verbessern, protektive Faktoren und Risikofaktoren für eine stratifizierte Prävention zu ermitteln, aber auch dahinterliegende Prozesse (Mediatoren) und Wechselwirkungen zwischen körperlicher Ebene, Gedanken, Gefühlen und Verhalten unter Einbezug der affektiven Bio- bzw. Neuropsychologie besser zu verstehen.

Neben klinischen Studien, die unter Realbedingungen durchgeführt werden, setzen wir Laborexperimente ein, um Modelle und Theorien zu verfeinern. Die streng kontrollierten Rahmenbedingen im Paradigma der experimentellen Psychopathologie ermöglichen es, einzelne Prozesse im biopsychosozialen Modell gezielt zu isolieren und deren Wirkung zu erfassen. Im Kern geht es dabei oft um die Auswirkungen von Stress, wie diese je nach Rahmenbedingungen vermittelt werden und wie man diese (positiv) verändern kann. Stress kann kardiovaskuläre Reaktionen hervorrufen, was besonders problematisch für Personen mit bereits geschädigtem oder vulnerablem Herz sein kann. Deswegen suchen wir Strategien, um mit exzessiven oder längerfristigen kardiovaskulären Reaktionen umgehen oder diesen sogar vorbeugen zu können, um potenzielle Schädigungen des Herzens oder damit im Zusammenhang stehenden Faktoren (z.B. Gefäße) zu verhindern.

Aktuelle Forschungsprojekte und typische Beispiele mit kommentierten Literaturhinweisen

  • Psychische Belastungs- und Bedarfsanalyse bezüglich innovativer vs. traditioneller Unterstützungsangebote bei Herzpatienten mit implantierbarem Kardioverter Defibrillator im Verlauf der Corona-Pandemie (Vergleich mit Daten vor der Pandemie und Einbezug somatischer Schlüsselvariablen) in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) Würzburg (Prof. Chistoph Maack, Prof. Stefan Störk, Prof. Stefan Frantz, PD Dr. Peter Nordbeck).
  • Weiterentwicklungen von ICD-Forum.de, einer web-basierten Interventionen zur Verbesserung des psychosozialen Wohlbefindens von Herzpatienten hin zu einer multiprofessionellen Plattform, die ein integriertes Krankheitsmanagement und einen strukturierten Austausch von Informationen zwischen den beteiligten Parteien ermöglicht und Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) nutzt, um Betreuung selbst-lernend zu optimieren.
  • Mediatoren und Moderatoren der Wirksamkeit einer web-basierten Intervention zur Verbesserung des psychosozialen Wohlbefindens von Herzpatienten mit implantierbarem Kardioverter Defibrillator (Autoren der EHJ-Publikation zum ICD-Forum)
  • Kulturvergleichende Studien zur psychischen Belastung von Herzpatienten, deren Angehörigen und die Rolle kultureller Mediatoren (z.B. Religiosität) in Kooperation mit der Riphah International University, Pakistan (Prof. Hina Ghafoor), vgl. https://doi.org/10.1111/bjhp.12381
  • Früherkennung von Hochstressereignissen bei Pflegern/-innen in der Palliativversorgung anhand psychophysiologischer Indikatoren in einem innovativen Machine-Learning Ansatz unter Einbezug von Erlebens- und Verhaltensindikatoren in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut Rostock (Dr. Wencke Chodan, Dr. Marian Haescher)
  • Mehrere Online-Längsschnittstudien zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Belastung und der Wirkung protektiver (z.B. Resilienz, positive Copingstrategien) vs. Risikofaktoren (z.B. Burnout-Belastung, negative Copingstrategien) im Verlauf (Stichproben: Ärzte/-innen und Pfleger/-innen der Anästhesie am Universitätsklinikum Würzburg [UKW, Prof. Ritter], Mitarbeiter/-innen des UKW insgesamt [Prof. Dr. Grit Hein, Prof. Dr. Jürgen Deckert, Prof. Dr. Peter Heuschmann], Psychotherapeuten/-innen in Ausbildung [deutschlandweit; in Kooperation mit Prof. Michael Witthöft, Universität Mainz], Personal im Rettungsdienst [Würzburg])
  • Emotionale (Stress-)Reaktivität, der Nutzen sozialer Unterstützung und andere Bewältigungsstrategien (z.B. cognitive Reappraisal, transkutane Vagus-Nerv-Stimulation), vgl. https://doi.org/10.1016/j.biopsycho.2016.12.009
  • Neuronale Korrelate von Angst, Interozeption und biopsychologische/genetische Moderatoren, vgl. https://dx.doi.org/10.1098%2Frstb.2016.0018https://doi.org/10.1016/j.euroneuro.2016.05.007
  • Behandlung psychischer Störung mit innovativen Technologien wie z.B. virtual Reality (Grundlagen und Anwendung), vgl. https://doi.org/10.1093/scan/nsu142
  • Psychotherapie-Prozessforschung, vgl. https://doi.org/10.1016/j.brat.2013.12.007
  • Psychophysiologische Korrelate der Stressverarbeitung und Stressreaktivität, vgl. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0052729