Der Bevölkerung gewidmetes Kunstwerk darf nicht auf private Homepage

Der Künstler Hans Haacke hat einer Bloggerin die Lizenzierung einer Aufnahme seines umstrittenen Projekts im Reichstag durch die VG Bild-Kunst verweigert, während es mit einer Willy-Brandt-Statue weniger Probleme gibt.

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Der Künstler Hans Haacke hat einer Bloggerin die Lizenzierung einer Teilaufnahme seines Projekts "Der Bevölkerung" aus dem Reichstag durch die VG Bild-Kunst verweigert. Die Verfasserin des Webjournals "Hotel Falkenstein", Petra Tursky-Hartmann, hat als Reaktion einen offenen Brief an das Präsidium des Deutschen Bundestags geschrieben. Darin fragt die Frankfurter SPD-Politikerin etwas überspitzt, ob die "Bevölkerung" wirklich einer Verwertungsgesellschaft angehöre. Zugleich möchte sie wissen, ob Haacke bereits in anderen Fällen Veröffentlichungsverbote für Fotos der Installation ausgesprochen hat, wie viel Geld aus Steuermitteln in das Kunstwerk floss und ob Bundestagsabgeordnete Fotos davon auf ihren Homepages veröffentlichen.

Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie leicht "Bürger-Journalisten" angesichts der neuen, einfachen Veröffentlichungsmöglichkeiten im Internet mit dem Urheberrecht in Konflikt geraten können. Vielen Betreibern von Webjournalen dürfte zunächst gar nicht bekannt sein, dass eigene Aufnahmen von Kunstwerken bei der Online-Publikation einer Lizenzierung durch die VG Bild-Kunst bedürfen. So war auch Tursky-Hartmann zunächst erstaunt, als sie Anfang Juli von der Verwertungsgesellschaft eine strenge Mahnung per E-Mail erhielt.

"Wie wir festgestellt haben, werden auf Ihrer Website www.tursky-hartmann.de Werke unserer Mitglieder Rainer Fetting, Hans Haacke und Joseph Kosuth wiedergegeben, ohne dass hierfür eine erforderliche Genehmigung seitens VG Bild-Kunst oder des Nachlasses vorliegt", ging es in dem Schreiben rasch zur Sache. Durch diese Nutzung werde das "Recht der öffentlichen Zugänglichmachung" nach § 19 Urheberrechtsgesetz (UrhG), das der Organisation zur ausschließlichen Wahrnehmung übertragen worden sei, verletzt. Die Verwertungsgesellschaft drohte zugleich mit "Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen" nach § 97 UrhG, sollten die Bilder nicht entfernt oder eine Lizenz eingeholt werden.

Die VG Bild-Kunst ist allerdings im Recht. "Man darf Werke grundsätzlich nicht fotografieren und die Fotos online stellen, weil dies eine Nutzung des jeweiligen Kunstwerks ist, die der Genehmigung des Rechtsinhabers bedarf", erklärt der auf Medienrecht spezialisierte Anwalt Till Kreutzer gegenüber heise online. Ausnahmen gelten, wenn das Werk "frei" ist, weil die Schutzdauer 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers abgelaufen ist, oder es sich dauerhaft an "öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen" befindet. In diesem Fall greift die so genannte "Panoramafreiheit" gemäß § 59 UrhG. Diese gilt gemäß der gängigen Rechtsprechung aber nur, wenn das entsprechende Werk von öffentlichem Grund unmittelbar und ohne Hilfsmittel einsehbar ist. Selbst Kunstwerke, die sich im Innenraum eines öffentlich zugänglichen Gebäudes befinden, dürfen nicht nach dieser "Schrankenregel" genutzt werden.

Die ernüchterte Bloggerin bemühte sich daraufhin um eine Lizenzierung der drei beanstandeten Fotos. Sowohl für die im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, ausgestellte Statue Willy Brandts von Fetting als auch für den "Himmel" von Kosuth erhielt sie daraufhin von der VG Bild-Kunst die Genehmigung, die Aufnahmen für 24 Euro plus Mehrwertsteuer pro Jahr weiter im Rahmen ihres Online-Berichts zu einem Berlin-Besuch sowie auf einer zusätzlichen Fotoseite anderen Surfern zu präsentieren. Zu ihrem Lizenzwunsch für das Bild der Installation im nördlichen Lichthof des Reichstags, das nur die drei ersten Buchstaben des Werks umfasst, erhielt sie dagegen folgende Auskunft der Verwertungsgesellschaft: "Herr Haacke ist mit der Veröffentlichung seines Werkes 'Der Bevölkerung' auf Ihrer Website leider nicht einverstanden."

Die ablehnende Haltung des renommierten Konzeptkünstlers überrascht, da das Projekt über eine eigene Website auf dem Bundestagsserver verfügt und dort täglich per Webcam eine aktuelle Dokumentationsaufnahme öffentlich verfügbar gemacht wird. Der Schriftzug selbst, der sich auf die 1916 am Westportal des Reichstags angebrachte Inschrift "Dem deutschen Volke" bezieht, ist von allen Etagen des Parlamentsgebäudes aus zu lesen, also etwa vom Plenarsaal sowie von der Presse- und Fraktionsebene aus und von den Besuchern auf dem Dach. Zahlreiche Abgeordnete haben auf Einladung Haackes bereits zentnerweise Erde aus ihrem Wahlkreis in den Kasten rund um die Inschrift ausgestreut, um die besondere Verwurzelung des Kunstwerks mit ganz Deutschland zu symbolisieren.

Sollte das Bundestagspräsidium bestätigen, dass es sich beim Reichstag nicht um einen öffentlichen Raum handelt und Fotos der Installation lizenzpflichtig sind, fordert Tursky-Hartmann zumindest die Anbringung von Hinweisschildern. "Wenn Künstler nicht wünschen, dass Fotos von bestimmten Kunstwerken im Internet publiziert werden, sollte dies auch deutlich und klar kommuniziert werden", schreibt die Bloggerin. Mit einer weiteren Eingabe an den SPD-Parteivorstand konnte sie derweil zumindest bereits einen Teilerfolg erzielen. Demnach laufen dort die Bemühungen auf Hochtouren, gemeinsam mit dem Künstler der Brandt-Statue das Kunstwerk insgesamt für Ablichtungen kostenfrei nutzbar zu machen. Allerdings nur, wenn die Fotos einen Bezug zu den Sozialdemokraten aufweisen. (Stefan Krempl) / (jk)