Die Universität zu Köln hatte die renommierte feministische Philosophin Prof. Nancy Fraser im Jahr 2022 eingeladen, die Albertus-Magnus-Professur an der Universität zu Köln im Jahr 2024 anzunehmen. Nancy Fraser ist eine US-amerikanische Philosophin, kritische Theoretikerin, Feministin und Henry A. und Louise Loeb Professorin für Politik- und Sozialwissenschaften und Professorin für Philosophie an der New School in New York City. Weithin bekannt für ihre Kritik an der Identitätspolitik und ihre philosophische Arbeit über das Konzept der Gerechtigkeit, ist Fraser auch eine entschiedene Kritikerin des zeitgenössischen liberalen Feminismus und dessen Abkehr von Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Sie sollte für ihre Arbeiten mit der Kölner Gastprofessur ausgezeichnet werden.
Am 4. April beschloss die Universität, Nancy Fraser wieder auszuladen. Als Grund nannte die Universität die Unterzeichnung der Erklärung "Philosophie für Palästina", in der ein Waffenstillstand im Gaza-Krieg und ein Umdenken in der Politik gegenüber dem Konflikt zwischen Israel und den besetzten Gebieten gefordert wird. In ihrer Begründung für die Ausladung behauptete die Universität, Nancy Fraser habe das Existenzrecht Israels in Frage gestellt.
Eine sorgfältige Lektüre der Erklärung "Philosophie für Palästina" zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Man kann verschiedene Positionen zur Erklärung „Philosophie für Palästina“ einnehmen. Den Diskurs über Israel/Palästina durch Restriktionen regeln zu wollen, ist auf jeden Fall politisch falsch und ethisch inakzeptabel. Die Unterzeichner*innen des Textes weisen darauf hin, dass sich die Universität mit dieser Maßnahme bis auf die Knochen blamiert hat. Die Ausladung ist ein Angriff auf die Redefreiheit und die akademische Freiheit, ausgesprochen von einer Universität, die in ihrer Grundordnung festhält:
„Die Universität zu Köln trägt im Zusammenwirken ihrer Mitglieder sowie in der Einheit von Forschung und Lehre zur Entwicklung der Wissenschaft und zur
wissenschaftlichen Bildung bei. […] Im Bewusstsein ihrer Geschichte
verwirklicht die Universität zu Köln die Freiheit der Wissenschaft und ist sich
dabei ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Zur Realisierung dieses
Auftrags setzt sie sich für eine Kultur der Verständigung und Kooperation ein.
[…] Die Universität zu Köln entwickelt ihren Beitrag zu einer nachhaltigen,
friedlichen und demokratischen Welt dadurch, dass sie ihren […] Aufgaben
unabhängig von außerwissenschaftlichen Vorgaben nachkommt, insbesondere in
ihrer internationalen Zusammenarbeit.“
Der brutale Angriff der Hamas auf israelische Zivilist*innen am 7. Oktober ist nicht zu rechtfertigen. Die israelische Reaktion ist jedoch keine Selbstverteidigung, sondern ein hemmungsloser Krieg gegen Nichtkombattant*innen, Familien mit Kindern oder Zivilist*innen jeglicher Herkunft, die sich zufällig dort aufhalten. Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal. Es mangelt an Wasser, Lebensmitteln, Unterkünften, Kleidung und Hygieneartikeln. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. Hunger und Krankheiten breiten sich aus. Es ist bereits absehbar, dass die hungernden Kinder langfristige Schäden davontragen werden. Wir Unterzeichner*innen fordern daher einen sofortigen Waffenstillstand, die Öffnung der Grenzübergänge für humanitäre Hilfe, politische Verhandlungen und den Beginn eines Diskurses, der den Frieden in der Region sichert.
Ein Ende des Langzeitkonflikts, Sicherheit und Frieden können nur mit allen und für alle erreicht werden. Die Universität sollte ein Ort des Austauschs von Ideen sein, die gesellschaftliche Relevanz haben. Die sich abzeichnenden globalen Konflikte erfordern einen diskursiven Raum, in dem es möglich ist, anderer Meinung zu sein, ohne andere auszugrenzen. Wir schlagen vor, einen offenen Diskurs über Frieden, Menschlichkeit und Bürgerrechte zu führen. Das Recht auf Leben der Israelis sollte ebenso wenig zur Diskussion stehen wie das der Bewohner*innen des Gazastreifens oder der West Bank.
Wir fordern die Universität auf, die Einladung an Nancy Fraser zu erneuern.