Der Windpark zwischen Simmersfeld und Seewald Foto: dpa

Grün-Rot will bis 2020 zehn Prozent des Strombedarfs aus heimischer Windkraft decken. Geht das?

Stuttgart - Grün-Rot will bis zum Jahr 2020 zehn Prozent des Strombedarfs aus heimischer Windkraft decken. Aber geht das? Insider sind skeptisch und verweisen auf den größten Windpark des Landes, der weit hinter den Erwartungen liegt.

Wenn der neue Umweltminister Franz Untersteller in diesen Tagen landauf, landab unterwegs ist, wird er nicht nur Akten studieren, sondern die Landschaft regelrecht scannen. Der Grünen-Politiker gehört zu den Vorkämpfern für den Ausbau der erneuerbaren Energien und möchte die Windkraft massiv forcieren. "Wir brauchen Standorte", sagt er immer wieder, wohl wissend, dass in der Vergangenheit der Bau von Windrotoren von der CDU-FDP-Landesregierung eher behindert statt beschleunigt wurde und derzeit nur rund 0,5 Prozent der Landesfläche für die Windkrafterzeugung vorgesehen sind. Diese Regelung aus alten Regierungszeiten, in denen der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) stets vor der "Verspargelung der Landschaft" gewarnt hatte, will Untersteller ändern und deshalb noch vor der Sommerpause eine Neufassung des Landesplanungsgesetzes in den Landtag einbringen.

Nachts blinken die Windräder wie rote Discokugeln

Das Ziel: Der Bau von Windrotoren soll deutlich erleichtert werden. Denn Untersteller weiß genau: Nur wenn es gelingt, ab sofort jährlich bis zu 100 neue Windräder im Land bauen zu lassen, kann er das im Koalitionsvertrag der neuen grün-roten Landesregierung festgeschriebene Ziel erreichen, dass bis zum Jahr 2020 wirklich zehn Prozent des Strombedarfs aus der heimischen Windkraft kommen. Zum Vergleich: Derzeit deckt die Windkraft im Südwesten nur 0,8 Prozent des Strombedarfs ab.

Doch passen Wunsch und Wirklichkeit zusammen? Der Umweltminister beteuert, dass es Investoren zuhauf gäbe, die Windparks bauen wollen. Das allein sorgt freilich noch nicht für Ertrag. Insider warnen deshalb vor allzu großen Erwartungen und verweisen in diesen Tagen immer öfter auf den größten Windpark des Landes, der seit 2007 entlang der B 294 zwischen Simmersfeld (Kreis Calw) und Seewald (Kreis Freudenstadt) steht. 14 Windräder mit einer Höhe von bis zu 170 Metern recken sich dort in den Himmel, am Tag wirken sie wie eine überdimensionierte Perlenkette, in der Nacht blinken sie wie rote Discokugeln. Vor vier Jahren war der Windpark Nordschwarzwald nach heftigem Widerstand der Bürger vor Ort und nach kritischer Prüfung durch den Petitionsausschuss des Landtags durch das Landesparlament genehmigt worden. Der Betreiber, die Gruppe Breeze Two, investierte rund 40 Millionen Euro, die Projektentwickler gingen im Genehmigungsverfahren von einer jährlichen Strommenge von rund 64 Millionen Kilowattstunden aus. Damit könne der Strombedarf von 20.000 Haushalten gedeckt werden, lautete die Botschaft damals. Die Anlage werde dafür sorgen, dass jährlich knapp 30.000 Tonnen CO2 eingespart beziehungsweise 1,7 Millionen Liter Heizöl ersetzt werden.

Doch die Realität sieht bislang anders aus. Auswertungen des Windparks, die unserer Zeitung vorliegen, belegen, dass der Ertrag weit hinter den Erwartungen zurückliegt - obwohl die 14 Rotoren auf knapp 900 Meter Höhe im Nordschwarzwald gebaut wurden, wo davon auszugehen war, dass stets ausreichend Wind weht. Demnach erzeugten die riesigen Windräder nur im Jahr 2008 mit 44,5 Millionen Kilowattstunden eine Strommenge, die halbwegs dem anvisierten Ziel näherkam. In den Jahren 2007 (31,6 Millionen), 2009 (33,7 Millionen) und 2010 (34,1 Millionen) blieb der Windpark Nordschwarzwald hingegen deutlich unter Plan. Aus Sicht von Peter Henigin, Vorstandschef der für die Mammutanlage zuständigen Altus AG (Karlsruhe), sind das "normale Schwankungen". Man dürfe aus "den bisherigen Ergebnissen nicht den Schluss ziehen, dass dieser Standort falsch" sei. Dennoch räumt er ein, dass der Ertrag bislang "unbefriedigend ist". Noch liege man zwar in einer "Bandbreite, die zu verkraften" sei, und die Baufinanzierung der 14 Rotoren sei "so ausgelegt, dass das ein paar Jahre abgepuffert werden kann". Es werde "aber bedenklich", sollte der Trend die nächsten Jahren anhalten. Allein, dem Projektentwickler sind die Hände gebunden. "Gegen das Klima und den lieben Herrgott kommen wir nun mal nicht an", meint Henigin ironisch.

Eiswurf auf die Bundesstraße

Ein Problem, mit dem künftig auch andere Windparkbetreiber in Baden-Württemberg womöglich kämpfen müssen. "Bei uns weht der Wind halt nicht so konstant wie an der Ost- oder Nordsee", sagt ein Energieexperte. Die neue Landesregierung gehe deshalb ein hohes Risiko ein, so vehement auf den Ausbau der Windenergie zu setzen. Grün-Rot hat inzwischen eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die klären soll, wie die Planung und der Bau von Windkraftanlagen vorangetrieben werden können. Zudem sollen die Regionalverbände alsbald neue Standorte ausweisen. "Wir wollen das Planungsrecht zügig modernisieren", betont Umweltminister Untersteller immer wieder.

Die Bürgerinitiative, die einst den Windpark Nordschwarzwald verhindern wollte, beobachtet die neue Entwicklung im Land mit Spannung und Skepsis. "Jetzt wird das bewiesen, was wir immer befürchtet haben, dass nämlich die Prognose für unseren Windpark sehr windig war", sagt Klaus Oelßner, einer der Sprecher der Initiative. Man fühle sich "bestätigt, aber auch getäuscht", wie damals alle Einwände gegen den Windpark vom Tisch gewischt worden seien. Oelßner geht davon aus, dass sich die Ertragskraft kaum bessern wird, zumal es strenge Auflagen für den Betrieb der 14 Rotoren gibt. Sie müssen abgestellt werden, wenn sich die Temperaturen dem Nullpunkt nähern, weil sonst die Gefahr zu groß ist, dass es durch die riesigen Rotoren zum Eiswurf auf die nahe Bundesstraße kommt. Aber auch bei wärmeren Temperaturen wird abgeschaltet, um den Totschlag von Fledermäusen zu vermeiden.

An einem Punkt sind sich alle Beobachter indes einig: Wenn die Landesregierung die Zahl der Windräder nun deutlich erhöhen will, wird eine Bündelung der Anlagen empfohlen. "Damit ist der Betrieb deutlich leichter und die Einspeisung ins Netz wesentlich einfacher", sagt Altus-Chef Henigin. Wenn überall im Land jetzt Standorte ausgewiesen würden, käme es wirklich zur Verspargelung, warnt er: "Das sollte man vermeiden."