Berlin. Aktivistin der “Letzten Generation“ vom Amtsgericht Moabit zu vier Monaten Haft verurteilt - ohne Bewährung. Laute Proteste im Gerichtssaal.

Das hat es in Berlin noch nicht gegeben. Ein Prozessbeobachter sprach gar von einem „Dammbruch“: Das Amtsgericht Tiergarten hat am Mittwoch erstmals ein Mitglied der Klimaaktivistengruppe „Letzte Generation“ zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt: Vier Monate muss die 24-jährige Maja W. nun wegen versuchter Nötigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und gemeinschädlicher Sachbeschädigung eines Kunstobjekts hinter Gitter.

Das unerwartete Urteil führte im Gerichtssaal zu lautstarken Unmutsbekundungen unter den Zuhörern und machte sogar ein Einschreiten der anwesenden Justizbeamten nötig. Zuvor waren stets Geldstrafen für die begangenen Taten der sogenannten „Klimakleber“ verhängt worden. Verteidiger Tobias Krenzel nannte das Urteil umgehend nach Verkündung „lächerlich und populistisch“ und meldete Rechtsmittel an.

"Letzte Generation": Staatsanwaltschaft hatte nur Geldstrafe gefordert

Die Verurteilte W. war als eine von zwei Aktivistinnen bekannt geworden, die sich im Mai 2022 in der Gemäldegalerie an den vergoldeten Holzrahmen des Cranach-Gemäldes „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ geklebt hatte. Außerdem hatte ihr die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich im Juni 2022 an einer Straßenblockade der Gruppierung „Letzte Generation“ am Hohenzollerndamm beteiligt zu haben. Zur Erschwerung polizeilicher Maßnahmen habe sie sich an der Fahrbahn festgeklebt, hieß es.

Das alles sah das Gericht nun als erwiesen an, auch da W. ihre Beteiligung an den Taten umgehend gestanden, angesichts der Klimakrise aber als „moralisch gerechtfertigt“ angegeben hatte. Besonders ungewöhnlich dabei: Für die Vergehen hatte die Staatsanwaltschaft alles zusammengenommen lediglich 90 Tagessätze zu je zehn Euro gefordert.

Richterin: Geldstrafen führen nicht zu einem Einlenken

Doch die Vorsitzende Richterin Susanne Wortmann bewies sich bei ihrer Urteilsverkündung am Mittwoch als neue Richterin Gnadenlos in Sachen Klimaaktivismus und Straßenblockaden. Eine Bewährungsstrafe komme nicht in Betracht, weil sich die Angeklagte Maja W. uneinsichtig gezeigt und erklärt habe, sie werde auch weiterhin an derartigen Protesten teilnehmen, egal wie das Urteil ausfalle, so die Richterin.

Die verhängte Strafe sei außerdem aus spezial- und generalpräventiven Gründen erforderlich, erklärte Wortmann, denn es liefen zahlreiche weitere Verfahren gegen die Frau. „Das Verhängen von Geldstrafen hat bei den Mitgliedern der Letzten Generation nicht zu einem Einlenken geführt, wie die vielen Aktionen in dieser Woche beweisen“, so die Richterin. „Die Justiz muss hierauf antworten.“

Straftaten, die nicht unter das Versammlungsrecht fallen

Die von von den Klimaaktivisten initiierten Proteste und Straßenblockaden blieben nicht unter das Versammlungsrecht fallende Straftaten, sagte Wortmann, egal ob sie gesellschaftliche und politische Debatten in der Klimapolitik erfolgreich anregen würden oder nicht.

Zuvor hatte Verteidiger Krenzel einen Freispruch für seine Mandantin beantragt und die Demonstrationsformen der „Letzten Generation“ als legitime Mittel zur Bekämpfung der wissenschaftlich erwiesenen globalen Klimakrise bezeichnet.

Beim Anklagepunkt der gemeinschädlichen Sachbeschädigung bezweifelte Krenzel den Schaden von 2300 Euro, der laut den Staatlichen Museen Berlin durch die Klebeaktion am Rahmen des Cranach-Bildes entstanden sei, und bezeichnete den „angeblichen Renaissance-Rahmen“ den Inventarlisten zufolge als eine „Replik, die 1952 für 60 D-Mark eingekauft wurde“.

Anwalt: Schäden könnten durch die Restauratoren entstanden sein

Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Schäden letztlich durch die Restauratoren und ihren Einsatz von Aceton als Lösungsmittel des Klebestoffes entstanden seien. Es sei außerdem möglich, dass der heute wertlose Rahmen erst durch die Aktion der Aktivistinnen eine „kulturelle Bedeutung“ erhalten habe, so Krenzel weiter.

„Es wird keine Kunst mehr geben, wenn all unsere Lebensgrundlagen zerstört sind“

W. versicherte indes, den Schaden selbst beheben zu wollen. Als ehemalige Schülerin eines Kunst-Leistungskurses habe sie von Anfang an lediglich den Rahmen, nicht aber das sicher verglaste Kunstwerk an sich beschädigen wollen. „Der Schritt ist mir nicht leicht gefallen“, sagte W.
Sie bat Richterin Wortmann aber, nicht die Augen vor der „Klimakatastrophe“ zu verschießen und an die Zukunft ihrer eigenen Kinder zu denken, wenn die Welt durch die Erderhitzung bald für sehr viele Menschen unbewohnbar werden würde: „Es wird keine Kunst mehr geben, wenn all unsere Lebensgrundlagen zerstört sind.“

Amtsgericht Tiergarten: Weiterer Aktivist zu Geldstrafe verurteilt


Genutzt hat es ihr am Ende nichts. „Die Wissenschaft lässt sich nicht wegsperren“, sagte die Aktivistin M. nach der Verkündung zwar trotzig, aber dennoch sichtlich geschockt. Das Urteil von Richterin Wortmann gegen Maja W. wirkt dabei umso härter, betrachtet man den Prozess gegen ein weiteres Mitglied der „Letzten Generation“, der am Mittwoch parallel am Amtsgericht stattfand. Dabei wurde der 29-jährige Jakob B. zu lediglich 120 Tagessätzen à zehn Euro verurteilt – die Hälfte von dem, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

B. wurde vorgeworfen, sich im Zeitraum von Juni bis Oktober 2022 in insgesamt acht Fällen an Straßenblockaden der Gruppierung beteiligt und sich dabei teilweise mit Klebstoff an der Fahrbahn befestigt zu haben. Sein Verteidiger sprach hier gegenüber der Berliner Morgenpost im Gegensatz zu W.’s Verfahren von einem „angemessenen und erwartbaren Strafmaß“.