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Missbrauch im britischen Fußball "Sie waren der Teufel in Menschengestalt"

Weil er jahrelang Fußball-Nachwuchsspieler sexuell missbraucht hat, muss ein ehemaliger Scout von Manchester City wohl bis an sein Lebensende ins Gefängnis. Damit ist der Fall noch lange nicht abgeschlossen.
Gerichtszeichnung vom Prozess: Angeklagter Barry Bennell (im blauen Pullover)

Gerichtszeichnung vom Prozess: Angeklagter Barry Bennell (im blauen Pullover)

Foto: Elizabeth Cook/ dpa

Aus Sicht der Opfer wurde einer der ganz großen Kämpfe entschieden an diesem grauen Montagnachmittag im Crown Court mitten in Liverpool, zwischen Fußgängerzone und Mersey-Fluß. "Dieses Urteil ist der Beweis, dass die Liebe immer gegen das Böse gewinnt", hieß es am Ende einer kurzen Rede, die drei Männer in Anzügen vor einem Strauß von Mikrofonen verlasen.

Als diese Männer noch keine Männer waren, sondern Kinder, besessen von dem Wunsch, Fußball-Profi zu werden, wurden sie und viele ihrer Altersgenossen vielfach sexuell missbraucht, und zwar von ihrem Jugendtrainer und Talentspäher. Barry Bennell ist heute 64 Jahre alt. Er war schon dreimal im Gefängnis und wurde in Liverpool mit einer weiteren Strafe belegt, die dazu führen dürfte, dass er bis zum Ende seines Lebens nicht mehr frei kommt. Das Gericht verurteilte ihn zu 31 Jahren Haft für Missbrauch in insgesamt 50 Fällen an zwölf Jungen im Zeitraum zwischen 1979 und 1991. Viele der Jungen waren noch nicht einmal im Teenager-Alter, als sich Bennell an ihnen verging.

Es ist ein spektakulärer, ein erschütternder Fall, der dem englischen Fußball allerhand unbequeme Fragen hinterlässt. Warum blieben Bennells Taten damals unbemerkt? Was kommt noch ans Licht? Und: Wie wird sichergestellt, dass heutzutage keine Bennells mehr als Trainer oder Scouts im Nachwuchsbereich arbeiten?

"Dieser Mann hat mir die einzige Kindheit geraubt"

Die Schilderungen, die einige seiner Opfer im Gericht in Liverpool vortrugen, machten deutlich, welchen Schaden er angerichtet hat. Bleibenden Schaden. Die ehemaligen Jugendfußballer sprachen davon, dass Bennell ihren Traum von einer Karriere als Profi zerstört habe. Dass sie immer noch Schuldgefühle hätten. Dass es ihnen schwer falle, Menschen zu vertrauen und Beziehungen einzugehen. Dass sie unter Albträumen, Angstzuständen und Depressionen leiden würden, in einigen Fällen sogar mit Selbstmordgedanken als Folge. "Dieser Mann hat mir die einzige Kindheit geraubt, die ich hatte", sagte eines der Opfer.

Opfer Micky Fallon, Chris Unsworth und Steve Walters (v.l.n.r.)

Opfer Micky Fallon, Chris Unsworth und Steve Walters (v.l.n.r.)

Foto: ANTHONY DEVLIN/ AFP

Bennell saß hinter einer dicken Glasscheibe, bewacht von zwei Sicherheitsleuten, und machte nicht den Eindruck, als würde er viel Notiz von dem Geschehen um sich herum nehmen. Er hatte die Arme verschränkt und schaute die meiste Zeit nach unten, die Stirn in Falten gelegt. Manchmal sah es so aus, als wäre er eingeschlafen. Er reagierte auch nicht, als eines seiner Opfer an die Scheibe trat und fragte: "Warum, Barry? Warum?" Bennells Gesundheitszustand ist schlecht, wegen zwei Krebs-Geschwüren mussten ihm in den vergangenen Jahren große Teile der Zunge entfernt werden.

Mitleid hatte er deshalb nicht zu erwarten. Richter Clement Goldstone wählte deutliche Worte, als er sein Urteil sprach. "Für diese Jungen schienen Sie Gott zu sein. In Wahrheit waren Sie der Teufel in Menschengestalt", sagte er an Bennell gerichtet. Als der ehemalige Jugendtrainer nach dem Urteil von den Sicherheitsleuten abgeführt wurde, musste Richter Goldstone Applaus im Saal unterbinden. "Wir haben nicht vergessen. Wir sind hartnäckig geblieben. Jetzt gehst du unsretwegen ins Gefängnis", sagte eines der Opfer.

Die Opfer schwiegen aus Angst um ihre Karriere

Bennell galt als hervorragender Trainer und Talentspäher. Nach den Worten von Richter Goldstone richtete er sein Haus ein wie ein Paradies für Kinder, mit Billardtisch, Spiele-Konsole und exotischen Tieren. Er lud die jungen Fußballer zu sich ein, auch über Nacht, und missbrauchte sie dann, wie im Gericht mit vielen Details geschildert wurde. Die Opfer schwiegen lange, aus Angst um ihre Karriere oder aus Scham. Erst im November 2016 kamen die Vorfälle ans Licht, als einer von Bennells Ex-Spielern dem "Guardian" davon berichtete.

Bennell arbeitete mit verschiedenen Vereinen zusammen, mit einigen lockerer, mit anderen enger. Im Gericht wurde er vor allem in Verbindung mit Crewe Alexandra genannt, einem Klub aus der Grafschaft Cheshire, der aktuell in der dritten Liga spielt - und mit Manchester City, dem Tabellenführer der Premier League. Angeblich missbrauchte Bennell einen Jugendspieler sogar auf dem Rasen des früheren City-Stadions Maine Road.

Klubs kündigten Aufarbeitung an

Der Klub hatte in der vergangenen Woche auf den Prozess gegen den ehemaligen Jugendtrainer und Scout reagiert und eine Mitteilung veröffentlicht, in der er seine Solidarität mit den Opfern bekundet. Außerdem hat der Verein nach eigener Aussage im November 2016, nach Bekanntwerden der Vorwürfe, eine interne Untersuchung gestartet. Auch Crewe Alexandra arbeitet den Fall auf.

Er ist mit dem Urteil von Liverpool noch lange nicht abgeschlossen. Der Prozess gegen Bennell hat weitere Opfer ermutigt, ihr Schweigen zu beenden. Die Rede ist von bis zu 100 weiteren Ex-Spielern, die Vorwürfe gegen ihn erheben. Wie es aussieht, ist das ganze Ausmaß von Bennells Taten noch gar nicht bekannt.

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BBC