Sonntag, 11.12.2022 / 20:03 Uhr

Iran: Wenn ein Freund zum Tode verurteilt wird

Von
Gastbeitrag von Dominik Metzger

Im Iran zum Tode verurteilt: Hamid Ghareh-Hassanlou

Bild:
privat

Im Jahr 2019 war der Autor zu Besuch bei Hamid Ghareh-Hassanlou und seiner Frau in Teheran. Gestern erfuhr er, dass der iranische Arzt aufgrund seiner Teilnahme an den Protesten zum Tode verurteilt wurde.

 

Drei Tage ist es her, dass im Iran mit dem 23 Jahre alten Mohsen Shekari die erste Person wegen der Beteiligung an den gerade stattfindenden Protesten offiziell hingerichtet wurde. Damit hat die Grausamkeit, mit der das Regime verzweifelt versucht die Proteste zu bekämpfen wieder mal ein neues Level erreicht. Mohsen Shekari war für schuldig befunden worden, ein Mitglied der iranischen Basij-Miliz verletzt und "Krieg gegen Gott" geführt zu haben. Es kursieren Listen mit Namen von mindestens 38 weiteren Personen, darunter drei Minderjährigen, denen wegen ihrer Teilnahme an den Protesten dasselbe Schicksal droht. Dazu kommt noch eine deutlich höhere Dunkelziffer an Menschen, die vom iranischen Regime unter falschen Behauptungen wie Drogenschmuggel oder Terrorismus mit der Todesstrafe belegt wurden.

Gestern erreichte mich die Nachricht, dass unter den zum Tode verurteilten Personen auch mein guter Freund Hamid Ghareh-Hassanlou ist. Er ist 53 Jahre alt, zweifacher Familienvater, verheiratet und seit 26 Jahren als Arzt tätig. Berichten zufolge nahm er gemeinsam mit seiner Frau am 3. November an einer Demonstration in Gedenken an Hadith Najafi teil, teil. Auf dem Rückweg blieben sie im Verkehr stecken, änderten ihre Route und kamen an einem Ort vorbei an dem einige uniformierte Kräfte des Regimes protestierende Menschen angriffen, wobei einige Demonstranten verletzt und mit Nima Nouri und Mehran Shekhari sogar zwei getötet wurden. In dieser gewaltvollen Auseinandersetzung ist auch Ruhollah Ajamian, ein Angehöriger der Basij, einer Freiwilligenmiliz der Islamischen Revolutionsgarden, umgekommen.

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Nach Angaben der "Iranian Human Rights Society" sind vom Revolutionsgericht in Karaj wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an der Ermordung von Ruhollah Ajamian Hamid sowie vier weitere Personen zum Tode und zehn andere Personen, hauptsächlich Jugendliche, zu langen Haftstraffen verurteilt worden. Hamids Frau Farzaneh ist mit einer Haftstrafe von 25 Jahren im Ahvaz Gefängnis eine der weiteren Verurteilten. Bei ihrer Verhaftung wurde ihr Haus von der Geheimpolizei gestürmt und sie wurden vor ihrer Tochter, die im Teenageralter ist, brutal zusammengeschlagen.

Die unerbittlichen Schläge der Folter haben bei Hamid zu mehreren Rippenbrüchen geführt, die sein chronisches Herz- und Lungenleiden noch verschlimmern. Schließlich führten diese Brüche zu inneren Blutungen, weswegen er für eine Notoperation in ein Krankenhaus gebracht worden ist. Nachdem Hamid nach der Operation das Bewusstsein wiedererlangt hatte, kamen die Justizbehörden mitten in der Nacht ins Krankenhaus, um ihn zu wecken und ihm das Todesurteil zu überbringen, so Hamids Bruder in einem Interview mit einem lokalen Radiosender.

Einziger Beweis für das Urteil ist ein unter Folter erzwungenes falsches Geständnis seiner Frau Farzaneh - eine Routinepraxis der Sicherheitskräfte im Iran. Am ersten Tag wäre sie noch standhaft gewesen, erzählte Hamids Bruder, am zweiten Tag sagten die Justizbeamten ihr jedoch, dass sie wüssten, dass ihr Sohn im Wohnheim der Universität Tabriz ist, und wenn sie bis heute Abend nicht gestehen würde, dass Hamid das Opfer geschlagen hat, würden sie ihren Sohn verhaften und er würde die gleiche Folter erleiden müssen, die sie selbst erleidet, einschließlich der Drohung ihren Sohn zu töten. Die Fälle wurden innerhalb von sechs Tagen in drei Anhörungen verhandelt, bevor die Urteile verkündet wurden. Wann genau das Urteil vollstreckt werden soll, ist aber noch unklar. Im Iran hoffen die Angehöriger der zum Tode verurteilten auf Druck von außen, um so noch deren Leben zu retten.

 

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Autor mit Hamid Ghareh-Hassanlou und seiner Familie im Iran, Bild: Privat

 

Bei der Recherche zu Hamids Verhaftung und Verurteilung kommen unweigerlich viele prägende Erinnerungen unserer gemeinsamen Zeit im Iran hoch. Während zweier Aufenthalte 2019 habe ich gemeinsam mit einem Freund über drei Wochen bei Hamid und seiner Familie gewohnt. Seine ganze Familie hat uns mit offenen Armen aufgenommen und uns mit der gastfreundlichen und herzlichen iranischen Kultur bekannt gemacht. Es waren sehr intensive und prägende Wochen. Wir waren in den Bergen um Teheran wandern und haben viele gesellige Abende gemeinsam verbracht. Durch Hamid und Farzanehs großes Engagement für wohltätige Zwecke konnten wir ihm aber auch beim Bau einer Schule in einer armen und unterversorgten Gemeinde im Iran helfen und nach katastrophalen Überschwemmungen im Westen des Landes im Sommer 2019 notleidende Familien unterstützen.

Es ist einfach unglaublich, was die Menschen im Iran gerade durchstehen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses grausame Regime bald gestürzt und es der iranischen Bevölkerung gelingt, sich von dieser Diktatur zu befreien. Bis dahin gilt, bei aller Ohnmacht die einen angesichts solcher Meldungen überkommt, zu jeder Gelegenheit auf die momentane Situation aufmerksam zu machen, die Geschichten der Opfer zu teilen und alles, so wenig es auch am Ende sein mag, zu tun, um ihnen unsere Solidarität zu zeigen.

Dazu gehört, diese Petition für die Freilassung von Hamid Ghareh-Hassanlou zu unterzeichnen und zu verbreiten, selbst wenn solche Aktionen die Herrschenden im Iran wenig beeindrucken dürften, sind sie doch ein Zeichen, dass viele an die denken, die in ihren Zellen auf den Tod durch die Henker des Regimes warten: 

 

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Bild: privat

Freiheit für Hamid Ghareh-Hassanlou und alle politischen Gefangenen im Iran!

Jin, Jihan, Azadi!