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Unterschied zu Ungeschützten Wie ansteckend sind Geimpfte tatsächlich?

Können Geimpfte unbeschwert feiern, wenn sie unter sich sind?

Können Geimpfte unbeschwert feiern, wenn sie unter sich sind?

(Foto: picture alliance/dpa)

Auch Geimpfte können sich anstecken und das Coronavirus weitergeben - so viel steht fest. Es stimmt aber nicht, dass sie genauso infektiös wie ungeimpfte Menschen sind. Aktuelle Studien zeigen, dass die Vakzine nach wie vor einen Unterschied machen. Die entscheidende Frage ist, wie groß er ist.

Schon als die Corona-Impfstoffe zugelassen wurden, schützten sie nie zu 100 Prozent vor einer Infektion, vor allem die mRNA-Vakzine kamen dieser Quote aber sehr nahe. Doch inzwischen ist klar, dass die Wirkstoffe gegen die Delta-Variante von Sars-CoV-2 weniger wirksam sind und die Effektivität im Laufe der Zeit nachlässt. Daher kommt es relativ häufig zu sogenannten Impfdurchbrüchen.

Die gute Nachricht ist, dass infizierte Geimpfte nach wie vor nur selten sehr krank werden. Die schlechte ist, dass sie oft nicht mal merken, dass sie infiziert sind, aber das Virus trotzdem weitergeben können. Meldungen, wonach Geimpfte ebenso ansteckend wie ungeschützte Menschen sind, sind allerdings nicht richtig.

Gleiche Viruslast bedeutet nicht gleich ansteckend

Die Annahme basiert auf Studien, die eine gleich hohe Viruslast in Abstrichen von infizierten Geimpften wie bei Ungeimpften feststellten. Das wiederum könne bedeuten, dass infizierte Geimpfte nach einer Infektion ebenso hochansteckend sind wie infizierte Ungeimpfte, berichtete die britische Gesundheitsbehörde PHE Anfang August. Sie bezog sich dabei auf eigene Auswertungen von PCR-Tests, bei denen der Ct-Wert bestimmt wurde. Der Wert gibt die Anzahl der Zyklen an, die zum Nachweis von Sars-CoV-2 benötigt werden. Niedrigere Werte bedeuten höhere Viruslasten.

Daraus wurden Schlagzeilen à la "Geimpfte genauso ansteckend wie Ungeimpfte", die sich bis heute in den Köpfen so mancher Impfskeptiker halten. Wissenschaftler wiesen allerdings schon damals darauf hin, dass ein niedriger Ct-Wert nicht automatisch eine hohe Infektiosität bedeutet. Denn er sagt nichts über die Vermehrungsfähigkeit von Viren aus. Der Test weist lediglich Virus-RNA nach, ob die Viren noch aktiv sind oder bereits durch das Immunsystem deaktiviert wurden, erkennt er nicht.

Viren bei Geimpften seltener aktiv und schneller inaktiv

Schon Ende August ergab ein niederländisches Preprint, dass unabhängig einer gleich hohen Viruslast die Wahrscheinlichkeit infektiöse Viren in den Proben von positiv getesteten Geimpften zu finden, deutlich niedriger als bei Ungeimpften ist. Zwar entdeckten die Wissenschaftler auch in fast 70 Prozent der Abstriche aktive Viren, doch die Viruslast der Geimpften baute sich wesentlich schneller ab als bei Ungeimpften.

Mehrere weitere wissenschaftliche Arbeiten kamen in der Folge zu ähnlichen Resultaten, unter anderem Ende September ein US-Preprint und Ende Oktober eine Studie im Auftrag der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency.

Schutz vor Übertragung variiert

Man weiß also, dass sich Geimpfte infizieren und für eine kürzere Zeit als Ungeimpfte auch selbst das Virus übertragen können. Die entscheidende Frage ist, wie ansteckend sie tatsächlich sind.

Niederländische Wissenschaftler, die die Ansteckungen in Haushalten untersuchten, stellten fest, dass die Übertragungsrate von Geimpften mit 13 Prozent signifikant kleiner als die der Ungeimpften mit 22 Prozent war. Darauf basierend schätzen sie in ihrem Preprint die Vakzin-Effektivität gegen eine Virusweitergabe auf 63 Prozent.

Eine Forschungsarbeit im Auftrag des britischen Gesundheitsministeriums kam Mitte Oktober in einem Preprint zu einem ähnlichen Resultat. Hier betrug die Übertragungsrate der Geimpften 23 Prozent, die der Ungeimpften war mit 49 Prozent mehr als doppelt so hoch. Die Arbeit ist besonders aussagekräftig, da für sie insgesamt rund 55.000 positive Tests von Personen, die Kontakt zu etwa 108.000 Index-Fällen hatten, ausgewertet wurden.

Impfabstand und Alter entscheidend

Der effektive Schutz vor einer Übertragung des Virus durch Geimpfte kann individuell höher oder niedriger ausfallen. Entscheidend dafür sind vor allem die Zeit, die nach der zweiten Dosis vergangen ist und um welches Vakzin es sich handelt. So schreiben die Wissenschaftler, beim Astrazeneca-Wirkstoff sei nach drei Monaten kaum noch ein Unterschied zu Ungeimpften feststellbar gewesen. Auch beim Biontech-Vakzin habe der Übertragungsschutz in dieser Zeit deutlich abgenommen.

Wie schnell die Wirkung gegen eine Übertragung abnimmt, hängt wahrscheinlich wie beim Schutz vor einer Ansteckung vom Alter einer Person ab. Erkenntnissen der UK Health Security Agency (UKSHA) nach sinkt beispielsweise beim Biontech-Vakzin die Effektivität innerhalb von 20 Wochen bei 16- bis 65-Jährigen von 92,4 auf 69,7 Prozent. Bei über 65-Jährigen liegt sie von Anfang an nur bei 65,4 Prozent und geht im gleichen Zeitraum auf 55,3 Prozent zurück.

Einem schwedischen Preprint zufolge könnte die Wirkung sogar noch schneller und noch stärker nachlassen, vor allem bei sehr alten Menschen. Bei über 80-Jährigen senkt der Biontech-Impfstoff demnach das Risiko einer symptomatischen Erkrankungen nach zwei bis vier Monaten nur noch um 48 Prozent. Nach einem halben Jahr ermittelten die schwedischen Forscher nur noch eine Schutzwirkung von 5 Prozent.

Seltener ansteckend, aber oft unentdeckt

Wie ansteckend genau Geimpfte sind, kann man also nicht exakt bestimmen. Fest steht aber, dass sie das Coronavirus deutlich seltener weitergeben. Hinzu kommt, dass sie sich selbst seltener infizieren und damit grundsätzlich seltener zum Überträger werden. Das gilt vor allem, wenn sie auf Veranstaltungen unter sich bleiben.

Andererseits ergeben die Studien auch klar, dass Geimpfte oft ansteckend genug sind, um einen signifikanten Beitrag zum Infektionsgeschehen zu leisten. Erschwerend kommt hinzu, dass sie häufiger symptomlos erkranken und so das Virus unbemerkt weitergeben können.

Infektiös sind Geimpfte vor allem dann, wenn die zweite Impfung länger zurückliegt. Wissenschaftler empfehlen deshalb auch aus diesem Grund eine Booster-Impfung. Wie sich eine Auffrischung auf die Infektiosität auswirkt, ist noch nicht erforscht. Allerdings ist bereits klar belegt, dass der Schutz vor einer symptomatischen Erkrankung erheblich wächst.

Im Zweifel zusätzlich Masken und Tests

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Einer aktuellen UKHSA-Studie (Preprint) vom 15. November zufolge betrug die Schutzwirkung zwei Wochen nach einer Astrazeneca-Auffrischung bei geimpften über 50-Jährigen 93,1 Prozent. Beim Biontech-Impfstoff erreichte sie 94 Prozent.

Vorerst haben aber nur sehr wenige Menschen eine Auffrischung erhalten und man weiß noch nicht, wie stark das Boostern Übertragungen nach einer Durchbruchinfektion unterbinden kann. Deshalb scheint es sinnvoll zu sein, bei größeren Zusammenkünften auch unter 2G- oder 1G-Bedingungen zusätzlich Masken zu tragen oder Schnelltests durchzuführen.

Quelle: ntv.de

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