Zum Inhalt springen

Umstrittenes Melderegister Indische Regierung erklärt Hunderttausende Menschen für illegal

Die indische Regierung baut die Vormachtstellung der Hindus weiter aus: Im Bundesstaat Assam hat sie ein umstrittenes Bürgerregister veröffentlicht. Darin fehlen zahlreiche Muslime - sie verlieren damit wichtige Rechte.
Proteste gegen das Nationale Bürgerregister in Assam

Proteste gegen das Nationale Bürgerregister in Assam

Foto: STR/EPA-EFE/REX

Fast zwei Millionen Menschen im indischen Assam droht die Staatenlosigkeit. Die Regierung des Bundesstaats im Nordosten Indiens veröffentlichte am Samstag ein umstrittenes Staatsbürgerregister, in dem insgesamt 31,1 Millionen Menschen verzeichnet sind. 1,9 Millionen Einwohner wurden aber nicht in das sogenannte Nationale Bürgerregister (NRC) aufgenommen.

Vor der Veröffentlichung des Registers wurden die Sicherheitsmaßnahmen in Assam verstärkt. Rund 20.000 zusätzliche Sicherheitskräfte wurden in den Bundesstaat geschickt, an einigen Orten wurden Versammlungen verboten.

Betroffen sind vor allem muslimische Einwanderer aus Bangladesch. Sie müssen die Unterbringung in Aufnahmelagern, die Staatenlosigkeit oder die Abschiebung nach Bangladesch fürchten. Der arme und überbevölkerte Nachbarstaat erkennt diese Menschen jedoch ebenfalls nicht als eigene Bürger an.

Das Bürgerregister in Assam wurde bereits im vergangenen Jahr beschlossen und gilt als Vorbild für das ganze Land. Im Januar hat das indische Unterhaus ein umstrittenes Gesetz verabschiedet. Es gewährt Hindus, Christen und Sikhs aus Bangladesch, Pakistan und Afghanistan die indische Staatsbürgerschaft, wenn sie seit mindestens sechs Jahren in Indien leben. Den rund 170 Millionen in Indien lebenden Muslimen wird dieses Recht nicht eingeräumt.

Kritiker sehen in dem Bürgerregister einen weiteren Versuch der hinduistisch-nationalistischen Regierungspartei BJP von Premierminister Narendra Modi, die Vormachtstellung der Hindus in Indien zu stärken und vor allem die muslimische Minderheit an den Rand zu drängen. Auch in Assam regiert die BJP.

Zehn weitere Lager geplant

Die auf der Liste nicht genannten Menschen müssen innerhalb von vier Monaten nachweisen, dass ihre Familien schon vor der Staatsgründung Bangladeschs im Jahr 1971 in Indien lebten. Für viele Menschen in der von hohem Analphabetismus geprägten Region ist das jedoch eine große Herausforderung.

Wer auch nach Ausschöpfung aller rechtlicher Mittel nicht in das Bürgerregister aufgenommen wird, kann zum Ausländer erklärt und theoretisch in eines von sechs Internierungslager gebracht werden. Derzeit leben nach Angaben von Assams Regierung 1135 Menschen in den Lagern. Zehn weitere Lager sollen gebaut werden.

Ein vorläufiges Bürgerregister war im Juli 2018 veröffentlicht worden. Damals waren noch die Namen von rund vier Millionen Menschen ausgelassen worden. "Der wegen ihrer Tee-Exporte berühmten Region Assam droht eine humanitäre Katastrophe", sagte der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen, Ulrich Delius. "Indien soll zum Hindu-Staat gemacht werden, in dem kein Platz für Andersgläubige und Minderheiten ist."

lov/AFP/dpa