Gastkommentar

Warum handzahme westliche Sanktionen Putin nichts anhaben können

Wann sind Sanktionen gegen Russland glaubwürdig? Nur dann, wenn sie die Führungselite so spalten, dass von innen heraus Alternativen zum gegenwärtigen Machthaber Putin entstehen.

Gerald Schneider 10 Kommentare
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Es waren unter anderem die Energiewirtschaft, die vor acht Jahren für abgeschwächte Sanktionen gegen Russland votiert hat.

Es waren unter anderem die Energiewirtschaft, die vor acht Jahren für abgeschwächte Sanktionen gegen Russland votiert hat.

Sean Gallup / Getty

In einem seiner brillanten Essays hat Thomas Schelling, der Wirtschaftsnobelpreisträger von 2005, argumentiert, dass Sanktionen den Preis für den Zielstaat so hochtreiben sollten, dass dieser auf eine angestrebte Änderung des Status quo gänzlich verzichte. Dies lasse sich im übertragenen Sinn dadurch erreichen, dass der Urheber einer Sanktion in eine Gewehrkugel investiere, die den mit Sanktionen belegten Staat zum Kauf einer teuren kugelsicheren Weste zwinge.

Falls sich das Ziel aber aufgrund einer halbherzigen Drohung nur für eine billige Weste entscheide, seien die Sanktionen gescheitert. Dann verfüge der bestrafte Staat weiterhin über ausreichend Mittel, um seine Provokationen fortzuführen.

Der schlechte Ruf von Sanktionen

Doch trotz dieser einfachen Kosten-Nutzen-Analyse für eine strategisch orientierte Aussenpolitik herrscht im Westen immer noch die Auffassung vor, dass wirtschaftliche Zwangsmassnahmen zu teuer seien und in den wenigsten Fällen ihr Ziel erreichten. Dies ist empirisch falsch, lag doch die Erfolgsquote von Sanktionen, welche die EU, die Uno und die USA zwischen 1989 und 2015 verhängten, bei bis zu 50 Prozent und damit im Rahmen dessen, was andere Massnahmen der internationalen Krisenpolitik – Mediationen, Blauhelme oder Interventionen – bestenfalls erreichen.

Der schlechte Ruf von Sanktionen liegt darin begründet, dass sich die Wahrnehmung auf offensichtliche Fehlschläge wie die Zwangsmassnahmen gegenüber Nordkorea oder Kuba konzentriert. Paradoxerweise sind jene Zwangsmassnahmen am effektivsten, die nicht verhängt werden müssen, weil der Zielstaat bereits aufgrund einer Drohung einlenkt. 40 Prozent der Fälle, in denen die USA Zwangsmassnahmen ankündigten, waren von Erfolg gekrönt. Meine Forschungen im Rahmen eines Projektes, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt hat, zeigten auch, dass Sanktionen, die von mehreren Sendern verhängt werden, erfolgversprechender sind.

Im Falle von Russland haben die multilateralen Drohungen nicht ausgereicht, um die Anerkennung der Volksrepubliken und die damit verbundene Eroberung von ukrainischem Staatsgebiet zu stoppen. Ein Hauptgrund für die gefährliche Eskalation im Donbass liegt in den handzahmen westlichen Sanktionen gegenüber Russland nach der Annexion der Krim und im ersten Feldzug in der Ostukraine im Jahr 2014. So konnte Putin ohne einen wirtschaftlichen Kraftakt als Reaktion darauf jene Sektoren und Wirtschaftsführer schützen, die er für sein politisches Überleben brauchte.

Gerade die Energiewirtschaft wie die Finanzindustrie haben vor acht Jahren mit ihrem Lobbyismus für abgeschwächte Sanktionen verhindert, dass Putins Achillessehne getroffen werden konnte – seine Abhängigkeit von Oligarchen, die dank staatlicher Protektion Milliardengewinne anhäufen können.

Die Abschreckungslogik

Die neuen Zwangsmassnahmen können in der Abschreckungslogik Schellings nur dann zielführend sein, wenn sie auf einer glaubwürdigen Drohung beruhen und sowohl für den Sender wie den Zielstaat mit erheblichen Kosten verknüpft sind. Um in der Metaphorik des amerikanischen Ökonomen zu bleiben: Putin lässt sich nicht durch die Ankündigung beeindrucken, dass der Westen ausschliesslich Gummischrot einzusetzen gedenkt und zum Beispiel nur ein paar weitere Oligarchen oder unerhebliche Industriesektoren auf die Sanktionsliste setzen will, wenn der russische Präsident tatsächlich seine Panzer weiter Richtung Westen rollen lässt.

Glaubwürdig können deshalb nur Sanktionen sein, welche die Führungselite dieses nuklearbewaffneten Schwellenlandes so spalten, dass von innen heraus Alternativen zum gegenwärtigen Machthaber entstehen.

Natürlich lässt sich einwenden, dass solche harten Sanktionen risikobehaftet und teuer seien. Aber eine verhaltene Reaktion auf eine weitere von Russland provozierte Eskalation hätte noch viel negativere Konsequenzen. So entstünde die Gefahr, dass Putin durch weitere Truppenaufmärsche auch andere politische Gegner in die Knie zwänge – vom Baltikum bis zu allen anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, welche die ehemalige Supermacht Russland in die Unabhängigkeit entlassen musste.

Vor diesem Hintergrund ist es für die EU und den Westen allgemein ratsam, möglichst jetzt detaillierte Massnahmen auszuarbeiten, die Putin zum Kauf jener kugelsicheren Weste nötigen, die künftige militärische Erpressungsmanöver deutlich verteuert und die Oligarchenfront spaltet.

Gerald Schneider ist Professor für internationale Politik an der Universität Konstanz.

10 Kommentare
Remo Gubler Strassmann

Alles gesagt, es muss uns auch weh tun! Importe von fossilen Energieträgern stoppen aus Russland, diese finanzierten bisher die russische Aufrüstung mit.

H. G.

Als Putin mit dem Aufmarsch begann haette Nato, EU und Ukraine sofort entsprechend mobilisieren müssen, Reden und Sanktionen nutzlos, man stelle sich vor England haette im Sept 1939 Dt mit Sanktionen belegt , Hitler & Co haetten gelacht