Gewalttat hatte 2018 Demonstrationswelle ausgelöst: Neuneinhalb Jahre Haft für Chemnitzer Messer-Killer

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Dresden/Chemnitz – Seit rund einem Jahr sitzt Alaa S. in U-Haft. Am Donnerstag fiel das Urteil gegen den Syrer zu einem Fall, der vergangenen Sommer ein ganzes Land erschütterte und in seinen Folgen sogar international für Schlagzeilen sorgte: der Tod von Daniel H. (†35) am Rande des Chemnitzer Stadtfestes – erstochen mitten in der Innenstadt.

Das Gericht befand Alaa S. schuldig, verurteilte ihn wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft. Nach 19 Verhandlungstagen war die Kammer davon überzeugt, dass Alaa S. am 26. August 2018 in Chemnitz gemeinsam mit einem flüchtigen Iraker Farhad A. den 35-jährigen Daniel H. erstochen hat. Der mutmaßliche Mittäter ist weltweit zur Fahndung ausgeschrieben.

Daniel H. wurde am Rande des Chemnitzer Stadtfestes erstochen

Daniel H. wurde am Rande des Chemnitzer Stadtfestes erstochen

Foto: facebook.com

Für die Staatsanwaltschaft stand die Schuld des Angeklagten fest. Sie hatte eine Haftstrafe von zehn Jahren gefordert.

Die Nebenkläger forderten sogar elf Jahr Haft. Der Anklagevorwurf der Tötung sowie der Körperverletzung habe sich bestätigt, auch wenn keine objektiven Beweismittel vorlägen, sagte einer der Nebenklägervertreter. Der Angeklagte sei mit einem „hohen Maß an Brutalität“ vorgegangen, sagte der Nebenkläger. Das Opfer habe sich nicht wehren können und keinerlei Flucht- oder Abwehrchancen gehabt.

Die Verteidigung hingegen hatte auf einen Freispruch plädiert. Sie appellierte an die Kammer des Landgerichts, sich bei der Urteilsfindung nicht von Forderungen aus Politik, Gesellschaft oder von einem „marodierenden Mob“ beeinflussen zu lassen.

„Wenn Sie sich von anderen Erwägungen leiten lassen, zum Beispiel von ihren politischen Überzeugungen, Ihrer Angst um die Reaktionen auf ein Urteil, dann müssen Sie sich selbst ablehnen. Dann müssen Sie sich hier hinstellen und sagen: ,Ich bin dazu nicht in der Lage, ich gebe bekannt, dass ich selbst befangen bin.‘ Das sind Sie die dem Angeklagten, Ihrem Amt und dem Rechtsstaat schuldig.“

Farhad A. ist noch immer auf der Flucht

Farhad A. ist noch immer auf der Flucht

Foto: Polizei

Tatsächlich konnte im Prozess kein Augenzeuge des Verbrechens den Messerstecher identifizieren, an der Tatwaffen wurden keine Spuren von Alaa S. gefunden.

In seiner letzten Erklärung vor dem Urteil sagte Alaa S.: „Ich hoffe, dass ich nicht das zweite Opfer des eigentlichen Täters werde.“

Doch das Gericht befand Alaa S. für schuldig. „Die Taten haben kein politisches Motiv“, sagte die Vorsitzende Richterin Simone Herberger bei der Urteilsbegründung. Und sie seien auch „weder politisch noch medial aufzuklären“. Die Richter sahen genug Beweise und Zeugenaussagen, die S. als Täter überführten. Es gebe „keinen Zweifel einer Schuld“, sagte Herberger.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann vor dem Bundesgerichtshof angefochten werden.

Die Verteidigung von S. legte umgehend Revision gegen das Urteil ein. Aus Sicht von Lang hätte ihr Mandant aufgrund der Beweislage und der „widersprüchlichen Zeugenaussagen“ niemals verurteilt werden dürfen.

Anwältin Ricarda Lang: „Ich bin auch davon überzeugt, wenn dieses Verfahren bei einem anderen Gericht stattgefunden hätte, wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder wo auch immer, in einem anderen Bundesland, in einer anderen Stadt, dass es niemals zu einer Verurteilung gekommen wäre.“ Den Urteilsspruch wertete Lang als „traurigen Tag für den Rechtsstaat“.

Neonazis zeigen am Karl-Marx-Monument den Hitlergruß

Neonazis zeigen am Karl-Marx-Monument den Hitlergruß

Foto: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. / JFDA

Nach der Gewalttat 2018 war es in Chemnitz zu fremdenfeindlichen Übergriffen, rechten Demonstrationen mit zahlreichen Straftaten wie dem Zeigen des Hitlergrußes sowie Anschlägen auf ausländische Restaurants gekommen.

Messerstecherei und Ausschreitungen in Chemnitz

Nach dem Urteil gab Chemnitz Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (57, SPD) am Donnerstagnachmittag ein Statement ab: „Es gibt ein Urteil – das haben wir alle zu respektieren – ich auch – weil wir alle in einem Rechtsstaat leben.“

Außerdem wurde in der Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass die Familie von Daniel H. darum bittet, dass keine erneute Instrumentalisierung des Todes stattfindet oder dass in seinem Namen demonstriert wird.

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